Vanja Palmers zum 5. Sila

von :
https://www.felsentor.ch/blog-1/studie-2023

Studie der Universität Zürich : kurz- und langzeit Wirkung von DMT auf erfahrene Meditierende

Jüngste Studie
Ende Mai fand am Felsentor wieder ein Retreat statt, in welchem die Teilnehmer am 3. Tag entweder eine Gabe DMT oder Placebo erhielten. Die Studie wurde von der Universität Zürich organisiert und untersucht die kurz- und langzeit Wirkung von DMT (die aktive Substanz in Ayahuasca) auf erfahrene Meditierende. Direkt vor und nach dem Retreat wurden die Probanden in der Röhre (Magnet Resonanz MRI) untersucht, während des Retreats wurden viele Fragebögen ausgefüllt und verschiedene Messungen (Blutdruck etc.) durchgeführt. Die erste Studie dieser Art fand bereits vor 8 Jahren am Felsentor statt, damals war der Wirkstoff Psilocybin (die aktive Substanz in den gleichnamigen Pilzen). Sie wird auch im kürzlich fertig gestellten Dokumentarfilm ‚Descending the Mountain‘ von Maartje Nevejan vorgestellt. Die zahlreichen Rückmeldungen und Fragen, welche wir in diesem Zusammenhang aus der ganzen Welt bekommen sind ein Hinweis darauf, wie gross das Interesse gerade unter den Meditierenden offensichtlich ist.

Während die Wissenschaft ihre (zum Teil komplexe und komplizierte) Agenda und Fragen hat, war unser Interesse relativ einfach: Was sagen erfahrene Langzeit Meditierende zu einer psychedelischen Erfahrung? War/ist das hilfreich oder hinderlich auf dem (spirituellen) Weg zu mehr Einsicht, Mitgefühl, Wohlwollen, Weisheit, Dankbarkeit etc.? Könnte das vielleicht sogar Teil der formellen Praxis / Ausbildung werden? Die Antworten auf diese Fragen fielen recht unterschiedlich und differenziert aus, aber die überwältigende Mehrheit aller Teilnehmerinnen / Teilnehmer berichtete, dass diese Art des substanzinduzierten, intensiven Erfahrens sehr wohl mit der Übung des Meditierens einhergehe, dass sich diese beiden Ansätze sehr schön und u.U. hilfreich, ja sogar glücksverheissend ergänzen können. So verschieden in vielerlei Hinsicht, so ähnlich das zentrale Anliegen dieser beiden altehrwürdigen Wege: Das Erforschen des Bewusstseins, der Perspektivenwandel vom Detail zum Ganzen, von der Illusion des Getrenntseins in die Einheit, das Dazugehören, vom ich zum wir zum Ich, ins Abenteuer und Geheimnis des Erwachens im Hier und Jetzt.

Teilnehmende der jüngsten Studie am Felsentor

So wie wir im Buddhismus die drei Juwelen Buddha, Dharma und Sangha kennen, so gibt es in der psychonautischen Tradition die drei zentralen und (fast) alles entscheidenden SSS Juwelen/Faktoren von Sakrament (welche Substanz in welcher Dosierung), Set (die innere Haltung/Intension/Verfassung) und Setting (Ort/Umgebung/Rahmen). Das Felsentor ist in vielerlei Hinsicht ein ideales Setting: Meditativ/Klösterlich, Alleinlage inmitten einer noch weitgehend unberührten Natur, erhaben 700 m über dem Vierwaldstättersee ruhend. Die Offenheit gegenüber dieser Methode der Bewusstseinsforschung wird sowohl von der Hausgemeinschaft als auch vom Stiftungsrat und, wie mir scheint, von einem Grossteil der ganzen Sangha mitgetragen, zum Teil ausdrücklich begrüsst und ermuntert. Wobei auch ein weitgehender Konsens darüber besteht, dass es weder nötig noch möglich ist, dass alle Menschen eine solche Erfahrung machen müssen oder können, im Gegenteil: Es gibt durchaus Personen, Orte und Situationen in denen Psychedelika Kontra-indiziert sind. Diese Substanzen sind äusserst potent und wollen mit Respekt und Ehrfurcht angegangen und eingesetzt werden.

Noch ein paar Gedanken zu den Buddhistischen Gelübden, den Silas, welche wir auch in unserer Zen Tradition empfangen und weiter geben, … und uns ein Leben lang darum bemühen. Speziell zum 5. Sila, welches Wikipedia mit ‚Abstehen von der Annahme berauschender Mittel, die zur Gewissenlosigkeit führen‘ übersetzt. Im Pali Original werden ausdrücklich drei verschiedene Arten von Alkohol erwähnt, aber der Geist dieses Silas lässt sich sicher auch auf andere Rauschmittel, Geistesgifte und Süchte (übermässiger Konsum aller Art, inkl. Arbeit, Sport, Nachrichten, Social Media etc.) ausdehnen. Die klassischen Psychedelika wie LSD, Psilocybin, DMT und Mescalin fallen in meinem Verständnis eher in die Kategorie MEDIZIN, und diese wiederum ist eines der vier Dinge, welche den Nonnen und Mönchen ausdrücklich zugestanden wird… im gleichen Regelwerk, welches vor dem übermässigen, zur sittlichen Enthemmung führenden Konsum von Alkohol warnt. Die drei anderen Dinge sind ein Gewand (O’Kesa), eine Essschale (Oryokyi), und ein Dach über dem Kopf. Enthenogene sind Medizin für den Geist und die Welt.

Eine interessante kleine Synchronizität: Beim Verfassens dieses Beitrags für den Felsentor Newsletter wollte ich nachschauen, wie das ‚Lexikon der östlichen Weisheitslehren‘ das 5. Sila übersetzt, aber zu meinem Erstaunen kennt es das Wort nicht einmal. Auch unter dem Pali/Sanskrit Begriff PANCHASILA ist nichts zu finden…. dafür stiess ich dort auf PANCHARATRA, wörtlich ‚fünftägig‘. Ein fünftägiges Soma-Opfer, bei dem der Soma Saft fünf Tage lang immer wieder frisch ausgepresst wird. (Urahne von burning man & Co.? Anmk. des Schreibers). Und unter ‚Soma‘ steht: Der berauschende Saft einer Kletterpflanze, der den Göttern dargebracht wird und den die Brahmanenpriester trinken. Im Rigveda (dem ältesten der vier Veden) spielt der Soma Trank eine bedeutende Rolle. … Also so ganz neu scheint das, was wir hier erforschen / pionieren auch wieder nicht zu sein… 😉

Last but not least: In meinem persönlichen Werdegang haben diese ‚heiligen Substanzen‘ wie Albert Hoffmann (Entdecker des LSD) sie nannte, eine ganz entscheidende Rolle gespielt, sie haben mich als jungen Mann aus der vorgezeichneten Laufbahn eines Studenten der Betriebswissenschaften und Geschäftsmann heraus katapultiert und mich zum spirituellen Sucher, zum Pilger gemacht. In dieser Hinsicht bin ich ein typischer Vertreter einer ganzen Generation, wir Hippies waren es, welche sich in grosser Zahl, und zum Teil sehr ernsthaft und mit grosser Hingabe, für das östliche Gedankengut und die damit einhergehenden Praktiken wie Yoga und Meditation interessierten, sie (zum Teil in den Ursprungsländern) studierten, und über die Jahre und Jahrzehnte in unsere westliche Welt und Kultur brachten, wo sie zwischenzeitlich ja auch voll angekommen, Teil des Mainstreams geworden sind.

Wenn ich auf unseren wunderbaren kleinen blauen Planeten schaue, der seine Kreise lautlos um die wärmende Sonne zieht, im perfekten Abstand für das biologische Leben, dem wir angehören und damit Teil eines hochkomplexen Netzwerks gegenseitiger Abhängigkeiten sind, dann kann ich nur staunen und ergriffen sein von Wunder und Geheimnis und Schönheit. Aber eine grosse Traurigkeit befällt mich, wenn ich daran denke, wie wir Menschen diesen Garten Eden, unsere Lebensgrundlage, plündern und zunehmend zerstören, mit welch grausamer, rücksichtsloser Gier wir unsere Mit-Erdlinge vergewaltigen oder ausrotten. Noch wäre es möglich dieses selbstzerstörerische Verhalten zu stoppen und sogar in eine Aufwärtsspirale umzudrehen, aber das würde ein relativ radikales Umdenken oder Aufwachen unseres menschlichen Selbstverständnisses voraussetzen. Viele Menschen arbeiten daran, ob es uns rasch genug gelingt ist eine Frage mit offenem Ausgang, aber dass wir uns wieder vermehrt den Pflanzenlehrern öffnen, mit ihnen in Beziehung treten, ihren Rat einholen, erfüllt mich mit Hoffnung und einer gewissen Zuversicht.

Vanja Palmers

 

 

Noch ein Hinweis: Der im Artikel erwähnte Film ‚Descending the Mountain‘ kann man – gegen Gebühr – auf Vimeo anschauen. Offenbar ist geplant, dass der Film später auch auf Amazon und AppleTV zu sehen sein wird.

 

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